Zum Tod von Pater Stan Swamy SJ

Ein Prophet ist eine Bedrohung für die Mächtigen.

Der indische Jesuitenpater und Menschenrechtsaktivist Stan Swamy SJ ist in der Nacht zum Montag, 5. Juli 2021, in einem Krankenhaus in Mumbai gestorben. Der seit Oktober 2020 inhaftierte Jesuit war Ende Mai 2021 nach einer Covid-Infektion aus dem Gefängnis ins Holy Family Hospital in Mumbai verlegt worden. Der Gesundheitszustand des 84-Jährigen an Parkinson leidenden Jesuiten hatte sich am Wochenende rapide verschlechtert, und er musste künstlich beatmet werden. In der Nacht auf Montag starb er an einem Herzstillstand.

Wir von Jesuiten weltweit haben seit Oktober 2020 wiederholt über das Schicksal von Pater Stan Swamy SJ und den 15 Frauen und Männern, die sich für die marginalisierte Urbevölkerung der Dalit in der Region Jharkhand einsetzen, berichtet. Sie alle wurden im vergangenen Herbst aufgrund fingierter Gründe unter Berufung auf das Antiterrorgesetz verhaftet. Pater Stan Swamy SJ hatte die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen. Der Jesuitenorden, die indischen Bischöfe sowie zahlreiche Menschenrechtsorganisationen hatten seine Freilassung gefordert.

Im Herbst 2020 stand in der Schweiz die Abstimmung zur Konzerninitiative an. In seinem Artikel «Die Wirklichkeit in Chhattisgarh» https://www.woz.ch/-b067 zeigte Andreas Riklin auf, wie ein Engagement für die in der Verfassung festgehaltenen Rechte der lokalen Bevölkerung gegen die wirtschaftlichen Interessen transnationaler Konzerne, auch mit Sitz in der Schweiz, steht. Seine Recherchen verdeutlichen, wie diese Konflikte zu einer systematischen Kriminalisierung von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivsten führen.

Der Tod von Stan Swamy SJ bewegt uns alle – auch seinen Mitbruder Pater Walter Fernandes SJ. Beide haben sich über Jahrzehnte für ein Indien der Gleichheit engagiert. Für ein Land, in dem die Tribals (Adivasi), Dalit und Frauen Gleichberechtigung beanspruchen können. Er zollt Pater Stan Swamy SJ Tribut und sagt: «Ein Prophet ist eine Bedrohung für die Mächtigen. Es ist an der Zeit, dass die Menschenrechtsaktivisten und alle Menschen guten Willens, einschliesslich der Medien, zusammenkommen, um ein integratives Indien zu fordern, in dem alle Menschen gleich sind. Gemeinsam sollten sie ein Rechtssystem fordern, das Menschen, die solches Unrecht im Namen des Gesetzes begehen, für ihre Taten verantwortlich macht. Das wäre eine gute Art, Stan Swamy zu ehren.»

Der Präsident der indischen Provinziälekonferenz P. Jerome Stanislaus D’Souza SJ sprach der Familie sowie Freunden und Unterstützerinnen die Anteilnahme des Ordens aus. «Die Gesellschaft Jesu verpflichtet sich in diesem Moment, das Vermächtnis von P. Stan in ihrer Sendung der Gerechtigkeit und Versöhnung weiter zu führen.»

Noch am Sonntag hatte die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) die Regierung des Bundesstaats Maharashtra aufgefordert, «alle möglichen Anstrengungen» zu unternehmen, Pater Swamy «eine angemessene medizinische Versorgung» zukommen zu lassen. Zudem forderte die Kommission, die Beschwerden der 16 inhaftierten Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten zu überprüfen. Sie hatten wiederholt die mangelhafte medizinische Versorgung im Gefängnis beklagt.

Hilfswerke und Menschenrechtler zeigen sich am Montag bestürzt über die Todesnachricht. «Verantwortlich für seinen Tod ist staatliche Willkür. Das dürfen wir nicht vergessen», betonte der Präsident des katholischen Hilfswerks missio Aachen, Dirk Bingener. Mit ihm verlören die Christen in Indien «einen starken Glaubenszeugen».

Als verheerend bezeichnete die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte, Mary Lawlor, die Todesnachricht. Verteidiger der Menschenrechte zu inhaftieren, sei unentschuldbar, schrieb Lawlor via Twitter.

Einen «Märtyrer für Gerechtigkeit und Frieden» nannte der Jesuit und Menschenrechtsaktivist Cedric Parkash SJ seinen gestorbenen Mitbruder in einem WhatsApp-Nachruf. «Dein Tod wird nicht umsonst sein. Es wird sehr viele Stans geben, die sich jetzt erheben.»