Unsere Sorge gilt den Mitgefangenen

Magazin Herbst 2022

Nach wie vor eine unfassbare Geschichte. Pater Stan Swamy wurde am 8. Oktober 2020 in Indien unter dem Unlawful Activities Prevention Act wegen seiner angeblichen Verbindungen zu den Gewalttaten in Bhima Koregaon im Januar 2018 verhaftet. An diesem symbolträchtigen Ort feierten die Dalits den 200. Gedenktag des Sieges über das Peshwa-Regime der oberen Kaste des Maratha-Reiches. Da dieser in Kollaboration mit den britischen Kolonialtruppen gelang, passt eine solche Feier in keiner Weise in das Selbstbild der heute herrschenden hinduistischen Nationalisten. Stan Swamy hat diese und auch andere haltlose Anschuldigungen wie terroristische und maoistische Aktivitäten, immer vehement zurückgewiesen. Angebliche belastende Datenfunde auf seinem Computer werden von internationalen Fachleuten als von anderer Seite übertragene Dokumente eingeschätzt. Da der 83-Jährige an Parkinson litt, hatte er im Gefängnis Schwierigkeiten beim Essen und Trinken. Wiederholte Anträge auf seine Freilassung zur medizinischen Versorgung wurden vom Obersten Gericht in Mumbai abgelehnt. Erst nach 8 Monaten im Gefängnis wurde er am 29. Mai 2021 in kritischem Zustand in ein Krankenhaus verlegt. Pater Swamy verstarb am 5. Juli im Alter von 84 Jahren. Es bleibt die Frage, was einem Mann vorgeworfen werden kann, der sein Leben den Ärmsten der indischen Gesellschaft, den Dalits und den Adivasi gewidmet hat. Zivilgesellschaftlich findet sein Engagement breite Anerkennung. So wurde er im Januar 2021 mit dem indischen
Mukundan C Menon Award 2020 für Menschenrechte ausgezeichnet. Im Juni 2022 hat ihm die Martin Ennals Foundation in Genf posthum den Award für Menschenrechtsverteidiger 2022 verliehen.
Dringend ist die Frage, wie es mit seinen Mitstreitenden weitergeht. Die meisten von ihnen sind nach wie vor unter Terrorismusverdacht im Gefängnis. Da viele von ihnen ältere Menschen sind, ist ihre Gesundheit ein grosses Problem geworden. Wie die «Times of India» am 4. August 2022 berichtete, gab es bisher keine erkennbare Absicht, eine Anhörung vor Gericht oder die Vorlage einer Anklageschrift durch die zuständigen Behörden einzuleiten.

Toni Kurmann SJ

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