Quoten oder Eintrittsgebühr für die Schweiz?

: Neue Denkansätze für den Umgang mit Flüchtlingen

Wie soll man mit Flüchtlingen im Land umgehen? Das Thema ist brandaktuell. Eine echte Krise, aber nicht so sehr für die Schweizer oder die zerstrittenen Aufnahmeländer in der EU, sondern in erster Linie eine echte Lebenskrise für die betroffenen Menschen, wie Pater Peter Balleis kürzlich in Zürich betonte, der ehemalige Direktor des Jesuiten Flüchtlingsdienstes. An einer Podiumsdiskussion des Ladanyi-Vereins diskutierte Balleis mit Politik- und Wirtschaftswissenschaftlern über neue Ansätze in der Flüchtlingspolitik unter dem Stichwort «Flüchtlingselend – Flüchtlingsintegration».

Ökonomische Finanzierungslösungen für die Bewältigung der Kosten für Flüchtlinge, politische und ethische Ansätze kamen bei dem Gespräch auf den Tisch. Wolf Linder, emeritierte Politikprofessor der Uni Bern und Mitglied des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierat, führte noch einmal Fakten und Zahlen zu Asyl und Einwanderung in die Schweiz vor Augen. Insgesamt gibt es mehr als 60 Millionen Flüchtling in der Welt. In der Schweiz haben im Jahr 2015 rund 40 000 Menschen ein Asylgesuch gestellt, hier leigt der Asuländeranteil bekantnlich bei rund 23 Prozent, in Deutschland gab es mehr als 500 000 Anträge auf Asyl. Die wichtigsten Aufnahmeländer für Flüchtlinge weltweit waren 2014 die Türkei, Pakistan und Libanon. Die ganz grosse Mehrheit der Flüchtlinge sind Flüchtlinge im eigenen Land.

Flüchtlinge stecken buchstäblich im Dreck – harte Probe für die Willkommenskultur

In der Bestandsaufnahme waren sich alle einig, wobei allerdings Linder und Professor Margit Osterloh von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel anders als Pater Balleis das Thema Flüchtlinge und Asyl nicht losgelöst von der Einwanderungsthematik sehen wollen. Fest steht: Es werden noch mehr Menschen kommen. Und es sterben auch immer mehr auf dem Mittelemeer oder sie werden krank, sind traumatisiert und stecken buchstäblich «im Dreck», wie es EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Mitte März offen aussprach. Die grossen Profiteure des Flüchtlingselends sind allein die Schlepper.

Angesichts dieser Situation werden das grosse Engagement vieler Freiwilliger bei der Flüchtlingsbetreuung, die «Willkommenskultur» wie auch die Sozialsysteme auf die Probe gestellt. Das Thema birgt politischen Sprengstoff und polarisiert. Nicht zuletzt das Buch des britischen Wirtschaftswissenschaftlers Paul Collier «Exodus. Warum wir Einwanderung neu regeln müssen» hat die öffentliche Debatte angeheizt.

Entrée in die Genossenschaft

Professor Osterloh stellte vor diesem Hintergrund ihr ökonomisches Modell vor: Es geht im Kern darum, von den Flüchtlingen eine Art «Eintrittsgebühr» für die Schweiz zu verlangen – ein Kauf von Genossenschaftsrechten –  die die Einwanderungswilligen  bereits im Heimatland zur Finanzierung der sicheren Anreise und als Beitrag zu den Infrastrukturkosten zahlen sollten. Damit könnte das Schlepperwesen beendet und ein Anreiz zur Integration geschaffen werden. Schon heute, so gab Osterloh zu bedenken, kämen nur die Flüchtlinge, die sich die Flucht überhaupt leisten könnten. Oft legten ganze Familien für einen Angehörigen zusammen. Besser sei es, das Geld in Integration statt in kriminelle Schlepper zu investieren. Wer die Finanzmittel nicht aufbringen könne, aber gute Chancen auf Einwanderung oder Asyl in der Schweiz habe, solle humanitäre Hilfe erhalten oder über Mikrokredite finanziert werden. Diejenigen Einwanderer, die als Asylsuchende offiziell anerkannt wurden, erhalten die Abgabe ganz oder teilweise zurück. Auch wer nach ein paar Jahren wieder in die Heimat zurückkehrt, dem könne man, so die Volkwirtschaftlerin, das «Eintrittsgeld» zurückerstatten.

Das Flüchtlingsdrama kommt nicht von ungefähr

Professor Linder und Pater Balleis lenkten den Blick auf die Ursachen von Flucht und die Bekämpfung dieser Ursachen. Balleis appellierte zudem nachdrücklich an die ethische und rechtliche Verpflichtung (Genfer Flüchtlingskonvention), ad hoc zu helfen. Menschen suchen bessere Lebensverhältnisse, das ist und war immer schon das zentrale Motiv von Flüchtlingen. Dabei gibt es zahlreiche politische, soziale und wirtschaftliche Ursachen für die zunehmende Migration weltweit, die Peter Balleis anschaulich vor Augen führte: Kriege, Katastrophen, das schlichte Fehlen eines funktionierenden Staates, Terrorismus gegen Bildung, besonders gegen Bildung von Frauen, auch Terrorismus als Waffe gegen alle westlichen Denkmuster, gesellschaftliche Wertordnungen des Westens und seine Einflussnahme. Ganz wichtig ist die Globalisierung als eine Ursache, also eine globale Weltwirtschaft, globale Kommunikation und Mobilität, die das Nord-Süd-Gefälle noch erhöhen und zugleich die Migration erleichtern.

Wirtschaftspolitik überdenken

Professor Linder sieht kurzfristig innenpolitisch zur Begrenzung der Migration nur die beiden Möglichkeiten einer Quotenregelung oder der Einführung von Eintrittsgeldern als Beitrag zu den Gemeinschaftsgütern des Gastlandes. Zugleich müsse man ein Einwanderungsgesetz überdenken und auch die «Knacknuss» lösen, wie man die Tabuzone «Rückführung» verlassen könne. Sinnvoll sei es, die berufliche Bildung der Flüchtlinge zu stärken und eine wirksame Rückkehrhilfe vor Ort zu gewährleisten.

Mittel-und langfristig verlange die Süd-Nord-Migration eine bessere Wirtschaftspolitik und eine Neukonzeption der Entwicklungszusammenarbeit. Es müssten einheimische Markte gestärkt und geschützt werden zur Entwicklung produktiver Erwerbsarbeit. Die Schweiz müsse sich, so der Politikexperte, stark machen für eine bessere Berufsbildung in den Ländern und für die Gründung von KMU vor Ort.

«Mercy in Motion», der Flüchtlingsdienst der Jesuiten und die Stiftung Jesuiten weltweit

Bis 2015 war Pater Peter Balleis SJ Direktor des global tätigen Flüchtlingsdienstes der Jesuiten JRS mit Hauptsitz in Rom. Seit 35 Jahren begleitet der JRS Flüchtlinge in rund 45 Ländern – unabhängig von Nationalität oder Religionszugehörigkeit.  Ende 2015 hat der JRS zum Jahr der Barmherzigkeit mit Unterstützung des Papstes die Spendenkampagne «Mercy in Motion» (www.mercy-in-motion.ch) lanciert. Ziel ist es, mit den Spenden Schulbildung für Flüchtlingskinder zu finanzieren.

Hierzulande wird diese Kampagne von der Stiftung Jesuiten weltweit in Zürich unterstützt. Die Stiftung gehört zur Ordensprovinz der Jesuiten in der Schweiz. Jesuiten weltweit ist auf internationaler Ebene tätig und fördert Bildungs- und Sozialprojekte des Ordens auf nahezu allen Kontinenten. Die Arbeit ist von der Überzeugung getragen, dass Bildung der Schlüssel ist für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen und Männern und für eine friedliche Entwicklung von Gesellschaften.

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