«Jesus Christus – eine Beziehungsfrage»

: Podiumsdiskussion im AKI

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«Wer keine Zeit für einen Menschen hat, hat auch keine Zeit für Gott.»
Herta Tiefengrabner hat Ihr Leben als Religionslehrerin für ein Jahr ausgesetzt und hat als Jesuit Volunteer auf der Missionsstation in Makumbi, Simbabwe gelebt. Wie sie Zeit, Glauben und Frömmigkeit in diesen Monaten erlebt hat, teilt sie mit uns:

In meinen 10 Monaten in Zimbabwe durfte ich erleben, dass sich die Menschen viel Zeit füreinander und für Gott nehmen. Das beginnt schon beim Grüßen, das ein langes Hin und Her über das Befinden des anderen ist: «Mangwanani. Mamuka sei?» (Guten Morgen. Wie hast du geschlafen?) – «Ndamuka, mamukawo.» (Ich habe gut geschlafen, wenn du gut geschlafen hast). – «Ndamuka.» (Ich habe gut geschlafen). So geht das zu allen Tageszeiten.

Bei jemandem nur kurz vorbeizuschauen oder an der Tür stehen zu bleiben ist für einen Afrikaner undenkbar. Man muss sich hinsetzen und mindestens eine Tasse Tee trinken. Besuche dauern … und Gottesdienste dauern … An manchen Sonntagen vier Stunden, an großen Festtagen entsprechend länger. Keiner beklagt sich, auch wenn die Predigt kein Ende zu nehmen scheint. Immer wieder schlafen Leute ein. Das frühe Aufstehen (zwischen vier und fünf Uhr) und der langeFußweg zur Kirche machen sich bemerkbar. Die Kinder schlafen auf dem Boden auf den Sambias ihrer Mütter (Sambia =Tuch, das sie wie einen Rock umbinden und zum Knien in der Messe verwenden).

Der Sonntag ist für den Gottesdienst und die anschließenden Glaubensgespräche in den jeweiligen Gruppen (Chitas) reserviert. An der Farbe der Uniform der Chitas erkennt man, zu wem die Mitglieder besonders beten, z. B. Frauen in blauer Uniform verehren die hl. Maria, Männer mit blauer Stola – ähnlich einem Diakon – äquivalent dazu den hl. Josef, braun weist auf die Eltern Marias, Anna bzw. Joachim hin, violett oder rot bedeutet «Sacred Heart of Jesus». Etliche von ihnen sind von einer besonders charismatischen Spiritualität geprägt. Sie verbringen immer wieder Wochenenden bei Glaubensseminaren mit vielen hunderten Teilnehmern.

Glaube, Gebet, Feier der Messe haben hier einen ganz anderen Stellenwert als in unserer wohlsituierten Welt.  Jedes Essen, jede Arbeit, ja sogar ein Konzert mit Jugendlichen wird mit einem Gebet begonnen und abgeschlossen. Ob Kinder in der Schule oder Erwachsene, jeder fühlt sich geehrt, ein Gebet für die Gemeinschaft sprechen zu dürfen.

Da zu den einzelnen Pfarren viele Outstations (Gemeinden in den Dörfern) gehören und die Priester höchstens einmal im Monat in jeder Gemeinde eine Messe feiern können, kommt den Wortgottesdienstleitern und Katecheten eine besondere Bedeutung zu. Und derer gibt es viele …

In Makumbi Mission fand nach Ostern ein Katechetentreffen mit über 1000 Teilnehmern aus der Erzdiözese Harare statt. Wer getauft ist, sieht es als seine ganz selbstverständliche Aufgabe, Verantwortung in und für die Gemeinde zu übernehmen.

Noch immer ist der Zustrom zur katholischen Kirche groß. Zu Weihnachten wurden in der Mette über 100 Erwachsene und einige Kinder getauft, im Oktober 2012 feierten wir eine Firmung mit knapp 800 Firmlingen. Der Bischof hat von der hohen Zahl erst erfahren, als er drei Stunden lang bei brütender Hitze gesalbt hat. Er ist der alleinige Firmspender in der Diözese und das nahezu jedes Wochenende.

Ich war in viele einzelne Gemeinschaften eingebettet, die mich auf ihre je eigene Weise gestärkt und getragen haben. Sei es die Community der Jesuiten, die «meine Familie» vor Ort ausgemacht haben, oder die LCBL Sisters (Little Children of our Blessed Lady) im benachbarten Konvent. Nachwuchsprobleme kennen die Orden – noch – nicht. Viele junge Schwestern arbeiten in Schulen, Kranken- und Waisenhäusern oder sozialen Projekten.

Beeindruckt hat mich das gute Mit- oder Nebeneinander von katholischer Kirche und anderen christlichen Religionen, vor allem den vielen apostolischen Gruppen, wie auch der Ahnenverehrung und anderen spirituellen Praktiken.

So haben nicht nur katholische Schüler Zugang zu den Missionsschulen, sondern auch alle anderen, die ganz selbstverständlich an den wöchentlichen Schulgottesdiensten teilnehmen. Genauso wenig ist der Taufschein Voraussetzung für eine Arbeitsstelle in der Mission oder für Unterstützung jeglicher Art. Der so negativ besetzte Begriff von «Mission» oder «Missionierung» erfährt hier eine positive Aufwertung.

Prägend für mich bleiben der Glaube und das tiefe Gottvertrauen der Menschen, die Erfahrung, dass Gott im täglichen Leben einen wichtigen Platz hat. Menschen aller Altersstufen reden von und mit Gott, das Gebet hat seinen fixen Stellenwert im Ablauf des Tages und bildet ganz selbstverständlich den Rahmen für Arbeiten und Feste.

Vermutlich ist es auch dieses Gottvertrauen, das in den Menschen die Lebensfreude und Hoffnung in ihrem meist hoffnungslosen Leben aufrecht hält. Während wir in unserer von Fortschritt und Wohlstand geprägten Welt oft meinen alles aus eigenem Vermögen zu schaffen, wissen sich die Menschen in Afrika sehr stark auf Gott verwiesen.

So endet auch jeder Brief, jede Nachricht von meinen Freunden, «meinen Kindern» aus Makumbi mit der Bitte:

«May God bless you, Mai Martin!» (Gott segne dich, Mai Martin!)

Herta Tiefengrabner

Video: Jesuit Volunteer Herta Tiefengrabner in Simbabwe, Freiwilligendienst der Jesuitenmission

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