Bericht aus Kathmandu

: Erdbeben in Nepal

Bericht aus Kathmandu

Zwei Tage nach dem Erdbeben erreicht uns dieser Bericht aus Kathmandu von P. Boniface Tigga SJ, dem Regionaloberen der Jesuiten in Nepal:

Montag, 27. April 2015
Kathmandu, Nepal

Erdbeben in Nepal

Am Samstag, den 25. April, wenige Minuten vor 12 Uhr mittags, hat ein gewaltiges Erdbeben Nepal erschüttert. Das Epizentrum lag ungefähr in der Mitte zwischen der Hauptstadt Kathmandu und Pokhara in Zentral-Nepal. Das Beben mit einer Stärke von 7,8 auf der Richterskala hat noch weit entfernt zu Zerstörungen und Todesopfern geführt – etwa in Tibet, Bangladesch, Nordindien und Bhutan –, aber die größten Schäden gibt es hier in Nepal. 39 der 75 Distrikte in Nepal sind betroffen und nach bisherigen Angaben gibt es mehr als 3000 Tote und 6000 Schwerverletzte.

Die endgültige Zahl der Opfer wird sicher deutlich höher liegen. Viele Todesfälle werden aufgrund der unterentwickelten Kommunikationssysteme in Nepal und dem Mangel an behördlicher Koordination niemals gemeldet werden. Am Sonntag um ein Uhr mittags erschütterte ein Nachbeben der Stärke 6,6 abermals das Land. Weitere deutlich zu spürende Erschütterungen gab es erneut am frühen Montagmorgen um 4.20 Uhr.

Begraben unter Trümmern

Die Regierung hat ihre Anstrengungen zur Bergung Verschütteter in und um Kathmandu verstärkt. Aber der Mangel an Ausrüstung und fehlende Zugänglichkeit erschweren und verlangsamen die Rettungsmaßnahmen. Es wird befürchtet, dass immer noch Hunderte Menschen unter dem Schutt und den Trümmern der eingestürzten Gebäude in der Hauptstadt begraben sind. Von vielen historischen Bauten ist nur noch Staub übrig geblieben. Berichten zufolge sind viele Dörfer an den Berghängen völlig zerstört oder kämpfen ums Überleben.

Mit dem Erdbeben haben sich Angst und Schrecken von Kathmandu in die kleinen Dörfer und an die Hänge des Mount Everest ausgebreitet. Eine vom Beben ausgelöste Lawine hat Teile eines Basislagers unter sich begraben, in dem sich viele ausländische Bergsteiger auf ihren Aufstieg vorbereitet hatten. Mindestens 18 Menschen sind ums Leben gekommen und 61 wurden verletzt.

Überfüllte Krankenhäuser

In der Hauptstadt hat die Regierung die kostenlose medizinische Behandlung für Erdbebenopfer angekündigt. Aber alle Krankenhäuser sind heillos überfüllt und viele sind nicht in der Lage, Behandlungen anzubieten. Die Menschen stehen immer noch unter Schock, da die Nachbeben anhalten. Die meisten Leute kampieren unter freiem Himmel, da sie Angst haben, in ihre teilweise beschädigten Häuser zurückzukehren. Viele zentrale Hauptstraßen in und außerhalb von Kathmandu sind durch Erdrutsche blockiert, die das Erdbeben ausgelöst hat. Das hat auch die Rettungsteams behindert, die auf Bergpfaden versucht haben, zu denen zu gelangen, die Hilfe brauchen.

Jesuiten helfen abgelegenen Dörfern

Im Moment wird die Hilfe eher in einer chaotischen denn in einer wirklich organisierten Weise geleistet. Alle lokalen Gemeinden und alle diejenigen, die nicht vom Erdbeben getroffen wurden, sind an den Rettungsmaßnahmen beteiligt. Die Gesellschaft Jesu in Nepal hat angesichts dieser furchtbaren Tragödie schnell reagiert. Das St. Xavier College hat sofort begonnen, sich um zwei abseits gelegene Dörfer zu kümmern und den Erdbebenopfern mit Lebensmitteln und Zeltplanen zu helfen, unter denen sie schlafen können. Eine weitere Hilfslieferung in den Distrikt Kavre wird gerade organisiert. Viele Straßen sind blockiert und viele Orte sind nur noch sehr schwer und auf Umwegen zu erreichen. Wir hoffen, weiteren Dörfern helfen zu können, die bisher noch nicht erreicht wurden. Dazu hoffen wir auf eure Hilfe und eure Gebete.

Zerstörung und Elend

Die Medien haben dramatische Bilder der massiven Zerstörung der Tempel und religiösen Monumente im Kathmandu-Tal ausgestrahlt. Es ist richtig, dass eine ganze Reihe historischer Stätten zu Schutthaufen zusammengefallen sind, genauso wie viele der traditionellen Ziegelhäuser in der Hauptstadt. Ein großes Viertel nahe des Tempelkomplexes Swayambhunath wurde dem Erdbeben gleich gemacht und die Brücke, die es mit dem Stadtzentrum verbunden hatte, ist eingestürzt.

Der Schaden an den in jüngerer Zeit entstandenen Gebäuden aus Stahlbeton ist ebenfalls enorm, obwohl weniger offensichtlich. Viele Menschen haben deshalb Angst, in ihren Häusern zu schlafen und haben während der letzten Nächte Zelte im Freien aufgebaut oder schlafen unter provisorischen Planen. In der Nacht kann man sehen, wie die Leute einfach die Straßen entlang laufen oder sich am Wegesrand unter Decken zusammenkauern, weil sie keinen anderen Schutz haben. Für diese Jahreszeit ungewöhnliche Regenfälle haben die nächtlichen Temperaturen sinken lassen und so spüren die obdachlos Gewordenen ihr Elend noch stärker.

Touristen im Fokus

Die Medienaufmerksamkeit hat sich stark auf die Lawinen am Basislager des Mount Everest gerichtet, weil dort gut ausgerüstete Touristen in der Lage waren, über Internet und Facebook mit der Außenwelt in Verbindung zu treten. Aber es sind die ländlichen und armen Distrikte um das Epizentrum herum, in denen das Leiden am größten ist. Die Zerstörung in den entlegenen Dörfern ist sogar noch katastrophaler als die Bilder von Orten, die in den Nachrichten auftauchen.

Die Schulen wurden für fünf Tage geschlossen und auch die meisten Geschäfte, Betriebe und Büros sind noch nicht wieder geöffnet. Es ist unklar, wie stark die Versorgungskette mit Lebensmitteln unterbrochen wurde. Die Preise für Gemüse und Grundnahrungsmitteln sind in Kathmandu bereits explodiert. Telefon und Elektrizität sind im Kathmandu-Tal nach und nach wieder verfügbar, wenn auch unregelmäßig. Am Samstag waren beide nach dem Erbeben komplett ausgefallen. In der Hauptstadt können wir aber über das Internet mit der Außenwelt kommunizieren.

Trinkwasser und Lebensmittel

Eine große Sorge ist jetzt die Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln. Da die Vorräte schmelzen, wird das Leiden zunehmen. Neben der Versorgung der Schwerverletzten sind die medizinischen Teams vor allem besorgt, dass Krankheiten wie Cholera ausbrechen könnten, da die Wasserversorgung Schaden gelitten hat.

Der kleine Flughafen von Kathmandu ist bis an die Grenze seiner Kapazität ausgelastet mit den Flugzeugen, die Hilfsgüter transportieren und Hilfskräfte ins Land bringen. Währenddessen operieren nach wie vor Linienflüge, um die große Zahl an Touristen und Bergsteiger zu evakuieren. Lokale und internationale Such-und-Rettungsteams versuchen nach wie vor, unter den Trümmern Überlebende zu finden, bevor die kritische 72-Stunden-Grenze überschritten wird.

Große Kraftanstrengungen nötig

Sobald die erste Phase der Rettungsmaßnahmen abgeschlossen ist und alle Schwerverletzten versorgt sind, braucht es weiterhin große Kraftanstrengungen, um denen zu helfen, die obdachlos geworden sind, die behindert sind oder die ihr Vieh und ihre Existenzgrundlage verloren haben. Es ist dringend notwendig, jenen in den schwer getroffenen Dörfern zu helfen, auf die nicht die Scheinwerfer der Medienaufmerksamkeit gerichtet sind.

Die Jesuiten in Nepal, gemeinsam mit anderen Ordensgemeinschaften und dem apostolischen Vikariat in Nepal, haben das Glück, dass wir keine Todesopfer oder Schwerverletzten unter uns zu beklagen haben. Einige unserer Gebäude und Institutionen wurden beschädigt. Wenn das Risiko der Nachbeben vorbei ist, werden wir die Schäden genauer begutachten, um die Sicherheit derjenigen zu garantieren, die wir unterrichten und für die wir da sind. Die drei Jesuiten-Kollegien – das St. Xavier College, die St. Xavier Schule und die St. Mary Schule – haben ihr Gelände für alle geöffnet, die Schutz suchen.

Angewiesen auf Hilfe

Die Unterstützung durch Gebet und materielle Spenden, die wir von Mitbrüdern, der Kirche und der Allgemeinheit erhalten, ist für uns eine enorme Hilfe. So können wir den Menschen in akuter Not beistehen und dazu beitragen, dass Nepal die verheerenden Auswirkungen des Erdbebens bewältigen wird. Besonders sind wir auf finanzielle Hilfe angewiesen, wenn es um die Phase des Wiederaufbaus geht. Wir werden uns gezielt um einige der am stärksten betroffenen Gebiete kümmern.

Ich danke euch für euer Gebet und eure Hilfe,

P. Boniface Tigga SJ
Regionaloberer der Jesuiten in Nepal   Link zur Facebockseite der Jesuiten in Nepal: https://www.facebook.com/sjrelief4nep

Danke für Ihre Hilfe! 

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