ROSMARY PROJECT

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In «Kalahrdaya» erfahren Kinder aus Dalit-Familien, dass sie trotz aller Armut wertvoll sind

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Ihre Füsse hüpfen im Takt, stampfen den Rhythmus in den Boden. Die Finger anmutig gespreizt, heben sie die rechte Hand, um gefühlvolle Bilder in die Luft zu malen. Mit leicht gebeugten Knien, die Oberkörper kerzengerade, folgen sie in grazilen Bewegungen den Klängen der Musik. Was auf den ersten Blick so leicht und mühelos erscheint, ist das Ergebnis vieler Übungsstunden. Konzentriert hören die jungen Mädchen auf die Anweisungen des Lehrers, der im Schneidersitz vor ihnen auf einer kleinen Bank Platz genommen hat.

Ihre Gesichter verraten leichte Anspannung. Die Mädchen sind voll konzentriert. Gestik und Mimik, Hand- und Fussbewegungen, sie müssen, nach den Regeln indischer Tanzkunst, harmonisch ineinander fliessen. Doch das ist viel leichter gesagt als getan. «Unsere Zeit ist abgelaufen, aber ihr könnt noch etwas üben, wenn ihr wollt», beendet der Lehrer schliesslich, nach eineinhalb Stunden, die Trainingseinheit. Also bleiben Sneha, Kotha, Deepa und Sushama noch eine Weile in dem schlichten Übungsraum und wiederholen barfuss, mit farbigen Tüchern um die Hüften, die eben gelernten Schrittfolgen auf dem Steinboden. Durch die geöffneten Fenster weht feuchtheisse Luft herein. Die vier jungen Mädchen stammen aus den Dörfern der Umgebung, sie gehören zur Schicht der Dalits, der «Unberührbaren». Deren Platz in der indischen Kastengesellschaft ist seit Jahrhunderten wie zementiert: am untersten Ende der sozialen Rangordnung. Und das bedeutet zugleich ein Leben in bitterer Armut, in Rechtlosigkeit und Unterdrückung.

Traum von einem anderen Leben

Die Eltern der Kinder haben keine andere Wahl: Sie müssen sich als Tagelöhner verdingen, um ihre Familien mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Für einen Tanzunterricht der Kinder ist das Geld viel zu knapp. Umso dankbarer sind die Eltern, dass ihre Mädchen und Jungen bei ihm, dem international bekannten Tänzer und Jesuitenpater Saju George, in die Schule gehen dürfen. In Pater Sajus Tanzunterricht zu kommen bedeutet für die Kinder von Bakeswar, 40 Rikscha-Minuten vom Zentrum Kalkuttas entfernt, etwas Grossartiges. Vor allem die gelegentlichen Auftritte im Rampenlicht, vor den Eltern und Nachbarn, sorgen für etwas Bollywood-Zauber im eintönigen Alltag. Herausgeputzt und in farbenfrohe Gewänder gehüllt, träumen die Kinder dann von einem anderen Leben. «Freunde, mit denen ich studiert habe, fliegen um die ganze Welt, tanzen heute in New York, morgen in Mumbai», sagt Pater Saju. Es ist kein Bedauern in seiner Stimme, nur Nachdenklichkeit. Als Priester und Tänzer ist es sein Ziel, den jungen und eigentlich chancenlosen Menschen eine Perspektive zu geben. Sie sollen – bei aller Armut und sozialen Missachtung – auch eine andere Seite des Lebens kennenlernen, das Schöne und Erhabene. So unterrichtet Pater Saju die Kinder und Jugendlichen aus den umliegenden Dörfern nicht nur in Englisch, sondern auch in Yoga, Musik und im traditionellen Tempeltanz Bharata Natyam. «Beides bringt den Menschen in eine neue Erfahrung zu sich selbst», erläutert der 46-jährige Jesuit. «Es hat mit Würde zu tun. Ich darf mich von Gott geliebt wissen. Er hat mich geschaffen und mag mich. Deshalb darf ich mich auch annehmen.» Es gehe nicht nur darum, betont er, den Kopf zu bilden, sondern auch das Herz und die Seele. «All das gibt den jungen Menschen Kraft und ein Zutrauen, dass sie etwas können und wertvoll sind.» Pater Saju hat lange gesucht nach diesem Ort. Als er Bakeswar gefunden hatte, wusste er: Hier wird etwas Neues entstehen. Sein Orden unterstützt ihn dabei, ebenso wie er ihn darin unterstützte, das jahrelange Studium des indischen Tanzes zu meistern. Dafür hat er selber bei bedeutenden Tänzern gelernt. Seine Lehrmeister waren Christen und Hindus. Der von ihnen neu zum Leben erweckte Tanz Bharata Natyam ist mit Indien und seiner hinduistischen Tradition so eng verknüpft wie kaum etwas anderes; er erzählt in unzähligen Figuren und Stilformen jahrhundertelang überlieferte Episoden aus dem Leben hinduistischer Gottheiten.

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Traum von einem anderen Leben

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Noch ist Kalahrdaya im Aufbau begriffen: Vier Häuser aus Ziegelstein gehören dazu, von fleissigen Helfern renoviert und frisch gestrichen. Den Vorbesitzern dienten die flachen Gebäude noch als Ställe und Schuppen. Es gibt zudem fünf Fischteiche auf dem Areal, das die Jesuiten vor einigen Jahren erwarben, und hinter dem Hauptgebäude einen Bach, der durch dschungelartiges Dickicht plätschert. Ein Mangobaum spendet Schatten, um den grossen Gemüsegarten wachsen Palmen. Alles ist grün, gepflegt, einladend: Eine Oase der Ruhe und der Kultur inmitten der vibrierenden, überhitzten Region rund um die Millionenmetropole Kalkutta.

Mit weitem Horizont

Es geht nicht um Gebäude, um Steine, sondern um das «Investieren» in verborgene Talente. Auf diese Weise gefördert, stehen den heute chancenlosen Kindern und Jugendlichen künftig neue, bisher verschlossene Türen offen.

«Sie können dann selber Stellen finden als Lehrer, Musiker oder Schauspieler. Sie können ihr Leben selbstbewusster in die eigene Hand nehmen, vielleicht eigene Einrichtungen gründen und nachhaltig für ihre Familien sorgen», sagt Pater Saju. «Wir möchten sie darin unterstützen, zu verantwortungsbewussten, sozial engagierten Bürgern heranzuwachsen – mit einem weiten universalen Horizont.»

Projekt Paharia

Land:
Indien

Partner:
P. Saju George SJ

Zielgruppe:
Kinder und Jugendliche aus armen benachteiligten Familien

Kontext:
Förderprogramme vor allem auf musischem Gebiet

So können Sie helfen:

  • 30 Franken Kostet die Anschaffung von Schulbüchern, Stiften, Mal und Zeichenmaterial pro Kind.
  • Für die Verpflegung von 160 Schulkindern sind etwa 415 Frankenpro Monat anzusetzen.
  • Das Monatsgehalt eines Lehrers beträgt rund 140 Franken.