Dr. Jörg Alt (li.) und Prof. Stefan Blauberger bei einem TV-Interview kurz vor ihrer Selbstanzeige. Im Hintergrund habe sich Unterstützerinnen und Unterstützer versammelt.

 – Klimakatastrophe

Wer sind die eigentlichen Rechtsbrecher?

Unter­stützung einer angeblich „kriminellen Vereinigung“ bzw. Werben von Mitgliedern? Die Jesuiten und Wissenschaftler Dr. Jörg Alt und Prof. Dr. Stefan Bauberger haben sich bei der Polizeiinspektion Nürnberg Mitte dieser Vergehen selbst angezeigt – als Zeichen der Solidarität mit den Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“ und Unter­stützung ihrer Forderungen.

Vor einem Jahr, am 21. Dezember 2021, hat sich der Jesuitenpater Dr. Jörg Alt wegen selbst angezeigt, weil er gutes Essen aus den Müllcontainern von Supermärkten „gestohlen“ und verteilt hat. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen besonders schweren Diebstahls in Gang gesetzt.

Ein Jahr Straftäter: Repression statt Konstruktivität

Dieses Ermittlungsverfahren wurde inzwischen zum zweiten Mal eingestellt, während es andernorts in Deutschland wegen genau dieses Sachverhalts weiterhin zu Ermittlungen und Verfahren kommt.

Eine Ungleichbehandlung vor dem Gesetz, die zudem zeigt, dass die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Klärung des Sachverhalts sowie das im Koalitionsvertrag enthaltene Versprechen, ein „Essen-retten-Gesetz“ zu implementieren, dazu immer noch auf sich warten lassen. Dies gilt auch für andere populäre Forderungen der Klimaprotestbewegung, etwa die nach einem Tempolimit. Und es gibt, betont Pater Alt „keinen Plan, wie wir zu dem vom Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen geforderten neuen Gesellschaftsvertrag für eine sozial-ökologische Transformation kommen sollen, wenn die Regierung immer noch so tut, als sei die Klimakatastrophe nur ein Problem von einigen Hysterikern?“

Einschüchtern und wegsperren

Zugleich ist eine zunehmende Kriminalisierung des Klimaprotests zu beobachten. Man schüchtert Demonstrant:innen ein oder sperrt sie weg, weil man sich mit ihren berechtigten Anliegen nicht beschäftigen möchte. Insbesondere wächst der Druck auf das Aktionsbündnis „Letzte Generation“: Anfang Dezember beschloss die Innenministerkonferenz, „dass die Sicherheitsbehörden des Bundes ein umfassendes Lagebild über die Gruppierung und deren Straftaten erarbeiten“ sollen, um sie „künftig womöglich als kriminelle Vereinigung behandeln“ zu können. Kurze Zeit später erfolgten Hausdurchsuchungen bei 11 Mitgliedern der Letzten Generation und deren Angehörigen, um genau diesem Verdacht nachzugehen

Erneute Selbtanzeige

Auch und gerade, weil sie keine Mitglieder der Letzten Generation sind, haben sich Dr. Jörg Alt und Prof. Dr. Stefan Bauberger am Freitag, 21.12.2022, bei der Polizeiinspektion Nürnberg Mitte wegen der Unter­stützung einer angeblich kriminellen Vereinigung selbst angezeigt, Jörg Alt zusätzlich des Werbens von Unterstützern und Mitgliedern (vgl. § 129.2 StGB). Bei der Bearbeitung dieses Prüfauftrags wird vollumfängliche Kooperation zugesagt.

„Die Aktionen sind alternativlos“

Dazu Dr. Jörg Alt: „Wenn wir dies tun, so ist dies kein Schuldgeständnis. Zwar breche ich bewusst Gesetze. Das ist illegal, und ich bin damit Straftäter. Aber: Wir sind der Meinung, dass diese Taten in der heutigen Situation alternativlos, angemessen, hinnehmbar und verhältnismäßig sowie durch § 34 StGB (“rechtfertigender Notstand") gedeckt sind. Und: Dieses Tun ist keinesfalls kriminell-verbrecherisch, weil niemand moralisch verwerflich handelt, niedere Beweggründe hat, oder Menschen Schaden zufügen will.

Im Gegenteil: Damit sollen Menschen vor Schäden gewarnt und das Überleben der Menschheit gesichert werden. Angesichts der aktuell hitzigen Debatte wollen wir unsere Taten Polizei und Staatsanwaltschaft zur Überprüfung geben: Sind Polizei und Staatsanwaltschaft der Meinung, dass dies keine kriminell-verbrecherischen Handlungen sind: gut. Sind Polizei und Staatsanwaltschaft der Meinung, dass es strafrechtlich relevante Handlungen sind, so bin ich – wie immer – bereit, die damit verbundene Strafe anzunehmen. Desübrigen tue ich dies, weil alle meine legalen Aktionen von der Politik ignoriert werden. Etwa der Offene Brief an den Bayerischen Landtag (5.11.2022) oder die Rede mit WissenschaftlerInnen vor dem Tagungshotel der Innenministerkonferenz (1.12.2022)."

Untätigkeit ist Nötigung

Prof. Dr. Stefan Bauberger ergänzt: "Wir stellen unserer Gesellschaft mit unserer Selbstanzeige öffentlich die Frage: Wer sind die eigentlichen Radikalen, Kriminellen, Rechtsbrecher, Erpresser und Nötiger?

  • Radikale: Ich erinnere an den Ausspruch des UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der sagte:,Klimaaktivisten werden manchmal als gefährliche Radikale dargestellt. Aber die wirklich gefährlichen Radikalen sind die Länder, die die Produktion fossiler Brennstoffe steigern.’ Vor diesem Hintergrund: Wie sieht der Ausstiegsplan Deutschlands konkret aus?
  • Kriminelle: Auch hier leitet mich ein Ausspruch des UN-Generalsekretärs, der im Februar 2022 sagte:,Der heutige IPCC-Bericht ist ein Atlas des menschlichen Leids und eine vernichtende Anklage gegen die verfehlte Klimapolitik… Dieser Verzicht auf Führung ist kriminell.’ Auch das Bundesverfassungsgericht sagt in seinem,Klimaurteil’ 2021: Die Bundesregierung tut zu wenig, um das Klimaabkommen umzusetzen. Das gilt auch heute noch: Die Bundesregierung verfehlt nach Einschätzung des Expertenrats für Klimafragen 2030 die Klimaziele.
  • Ist nicht ein solches Regierungshandeln Rechtsbruch, weil es sich beim Pariser Klimaabkommen um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, der vom Bundestag einstimmig besiegelt wurde? Woran liegt dies?
  • Vielleicht daran, dass die Politik erpresst und ausgebremst wird von den Profiteuren und Lobbyisten des fossilen Weiter-So? Wozu waren wohl bei der letzten Klimakonferenz in Sharm El Sheik 636 fossile Lobbyisten anwesend, ein Viertel mehr als im vergangenen Jahr? Warum gibt es wohl weltweit immer noch Billionen US-Dollar fossile Subventionen, warum fließt in Deutschland immer noch vier Mal mehr Geld in fossile statt in regenerative Energien?

Ergo: Aus meiner Sicht ist die Untätigkeit von Regierungen Nötigung. Sie zwingt die Wissenschaft und Zivilgesellschaft, diesem Kurs Widerstand entgegenzusetzen, der heute schon in dieser Welt tötet und für zukünftige Generationen viel Leid verursachen wird. Deshalb unterstütze ich öffentlich die Proteste der Letzten Generation und werde mich gleich als Wissenschaftler und Jesuit dieses Vergehens selbst beschuldigen."

Ihre Spende hilft

Jetzt online spenden

Stiftung Jesuiten weltweit Schweiz

PostFinance
IBAN:CH51 0900 0000 8922 2200 9
BIC:POFI CHBE XXX

Spenden an die Stiftung Jesuiten
weltweit Schweiz sind gemäss dem
Entscheid der Steuerverwaltung
unseres Sitzkantons Zürich
abzugsberechtigt.