– Libanon
Die Wunden heilen, einen Weg finden
207 Tote, mehr als 6500 Verletzte, 300.000 Menschen ohne Obdach: Vor einem Jahr hat die Explosion im Hafen von Beirut eine ganze Stadt traumatisiert. Die syrische Geflüchtete Amal hat am 4. August 2020 ihren Mann verloren. Ihr und anderen Betoffenen stehen seit diesem Tag die Teams des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts (JRS) zur Seite: Sozialarbeit und berufsbildende Kurse geben Hoffnung und Perspektive.
Ein Jahr nach der tödlichen Explosion in Beirut trauern die Familien der Opfer immer noch über den Verlust ihrer Lieben. Für sie war es ein Jahr des Schocks, der Wut und Trauer. Seit dem Tag der Explosion, dem 4. August 2020, stehen die Teams des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts (JRS) den Menschen zur Seite: telefonisch, persönlich, in Gruppen- und Einzelsitzungen, um ihnen Hoffnung zu geben und die Wunden zu heilen.
Einen Tag vor der Explosion genoss Amal, eine geflüchtete Syrerin und regelmäßige Besucherin des jesuitischen Frans van der Lugt Centre Zentrums in Bourj Hammoud, mit ihrem Ehemann den Eid-al-Adha-Urlaub außerhalb Beiruts. Sie verbrachten den Tag am Fluss und genossen die angenehme Brise, die grünen Bäume und das erfrischende Wasser. Ihr Mann sagte, es sei wie im Himmel, aber Amal sagte ihm, dass der Himmel ein noch friedlicherer und schönerer Ort ist. Am nächsten Tag saß Amal in ihrem Haus in Al Nabaa, sechs Kilometer vom Hafen von Beirut entfernt, und bereitete Mloukheye zu, einen Gemüseeintopf. Sie wartete darauf, dass ihr Mann von der Arbeit heimkommt, damit sie zusammen essen können.
Plötzlich hörte sie eine gewaltige, beängstigende Explosion, die das Gebäude erschütterte. Schwarzer Rauch bedeckte die Straßen, Kinder weinten, überall klirrte zerberstendes Glas, Menschen rannten durch die Straßen und suchten Schutz. Besorgt um ihren Mann versuchte Amal, ihn anzurufen, konnte aber keine Verbindung herstellen. Dann kontaktierte sie einen Freund, der in den Krankenhäusern nach ihm suchte. Leider ohne Erfolg. Am nächsten Tag fanden sie ihn tot im staatlichen Krankenhaus Al Hariri. Er war einer von mehr als 200 Menschen, die bei der Explosion ums Leben kamen, Tausende wurden verletzt.
„Sie haben mich nie alleingelassen“
Als die JRS-Mitarbeiter:innen vom Tod ihres Mannes erfuhren, riefen sie Amal an und versuchten, sie zu unterstützen. Da Amal im Libanon weder Kinder noch Verwandte hat, spannten die Frauen des Sozialzentrums ein Netz der Unterstützung und begannen, sie täglich zu besuchen. „Ich bin Eman, der Sozialarbeiterin des JRS und den Frauen im Zentrum so dankbar“, sagt Amal heute, ein Jahr nach der Katastrophe, „sie standen an meiner Seite und haben mich nie allein gelassen“, bemerkt Amal. Ihr wurde klar, dass sie sich nicht verkriechen darf und nutzte jede Gelegenheit, andere Menschen zu treffen.
Amal übernahm die Leitung einer Gruppe von Frauen, die Gesichtsmasken zur Covid-Prävention nähen: „Ich wurde als Betreuerin eingesetzt, weil ich einige Erfahrungen im Nähen habe. Also brachte ich den Teilnehmerinnen bei, wie die Nähmaschinen funktionieren, und wie man Gesichtsmasken herstellt. Ich habe es auch geschafft, mit diesem Kurs ein kleines Einkommen zu erzielen“, berichtet Amal. Sie hat sich auch für einen Kurs zur Produktion von Milchprodukten beworben und hofft, damit ein weiteres Einkommen zu schaffen. „Vielleicht verdiene ich damit genug, um in die Türkei ausreisen zu können, wo meine Verwandten leben“, hofft sie. Amal braucht außerdem noch mehr Zeit, um den Verlust ihres Mannes zu überwinden, doch sie ist eine spirituelle Frau: „Durch Beten, Fasten und den Koran gelingt es mir, geduldig zu sein. Ich höre immer noch seine Stimme, aber das Leben geht weiter“, sagt Amal.
Damit sie, wie viele andere Betroffene der Explosionskatastrophe, ihren Weg gehen kann, unterstützt sie weiterhin der JRS.