Kolumbien: Kleine Tropfen – ein Meer der Hoffnung

In Buenaventura, an der Pazifikküste Kolumbiens, herrschen trotz aller Widrigkeiten Hoffnung und Freude. Der Jesuitische Flücht­lings­dienst (JRS) setzt sich unermüdlich in der Begleitung, dem Dienst und der Verteidigung indigener und afrostämmiger Gemeinschaften ein.

JRS Kolumbien

Ort:
Buenaventura

Partner:
Jesuiten-Flüchtlingsdienst

Zielgruppe:

Stadtgesellschaft, indigene und afro-stämmige Bevölkerung
Kinder und Jugendliche.

So hilft Ihre Spende:

JRS Kolumbien hat 22 Angestellte in Buenaventura. Jährlich erreichen sie 55’000 Begünstigte. Die Stiftung Jesuiten weltweit Schweiz unterstützt JRS Kolumbien seit 2013 mit einem jährlichen Beitrag von durchschnittlich 30’000 Franken. Wir unterstützen die Friedensarbeit von JRS in Buenaventura mit jährlich 8’700 Begünstigten, davon 60 Prozent Frauen.

Kleine Tropfen – ein Meer der Hoffnung

Die Dienste des JRS Kolumbien an der Pazifikküste

Inmitten der komplexen Realität von Buenaventura, einem Distrikt an der Pazifikküste Kolumbiens, widmet sich der Jesuitische Flücht­lings­dienst (JRS) unermüdlich der Begleitung, dem Dienst und der Verteidigung indigener und afro-stämmiger Gemeinschaften. Sie sind vom bewaffneten Konflikt und der fehlenden staatlichen Präsenz besonders betroffen. Durch Schutz-, Integrations- und Bildungsinitiativen versucht der JRS, die Realitäten zu verändern und Frieden in diesem vielfältigen und einzigartigen Gebiet zu schaffen.
Kolumbien ist das Tor zu Südamerika. Es hat eine geografisch privilegierte Lage, umspült von zwei Ozeanen. Seine Bodenvielfalt an macht es zu einem artenreichen Gebiet mit grossem Entwicklungspotenzial. Historisch war es jedoch Schauplatz verschiedener militärischer Konfrontationen. Der längste Konflikt begann in der Mitte des 20. Jahrhunderts und eskalierte zu einem internen bewaffneten Konflikt, der bis heute andauert. Eines der Gebiete, das besonders vom Konflikt und der fehlenden staatlichen Präsenz betroffen ist, ist Buenaventura an der Pazifikküste. Obwohl die geografische Lage die Stadt zum wichtigsten Seehafen des Landes und zu einem der wichtigsten in Latein­amerika gemacht hat, ist die herrschende Armut, Unsicherheit und Gewalt alarmierend. Buenaventura zeichnet sich dadurch aus, dass es hauptsächlich indigene und afro-stämmige Gemeinschaften beherbergt. Sie leben inmitten von Gewalt. Die Präsenz bewaffneter und krimineller Gruppen hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Bevölkerung. Sie wurden Opfer von Menschen­rechts­ver­letzungen und Verstössen gegen das Völkerrecht. Am häufigsten sind dies Morde, Vertreibungen, Inhaftierungen, Zwangsrekrutierungen und geschlechtsspezifische Gewalt. Aufgrund dieser schwierigen Situation entstanden verschiedene Initiativen in den Gemeinden, die der Gewalt entgegenwirken und einen Beitrag zum Aufbau von Frieden in diesem Paradies im kolumbianischen Pazifik leisten.

Verteidigung des Rechts auf ein würdiges Leben

Den beiden Frauen Carmen und Janeth (Die Namen wurden geändert, um die Identität der Personen zu wahren, die vom JRS begleitet werden.) ist gleichermassen der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen und die volle Garantie ihrer Grundrechte und Freiheiten verwehrt. Carmen verbrachte einen Grossteil ihres Lebens im ländlichen Buenaventura, wurde Opfer der strukturellen Gewalt, des bewaffneten Konfliktes und der Kluft zwischen Land und Stadt in Kolumbien. Mit 70 Jahren wollte sich Carmen ins Einwohnerregister von Kolumbien eintragen lassen. Die kolumbianische Staats­bürgerschaft wurde ihr aber nicht gewährt. Der Staat verweigerte ihr das Recht auf Staatsangehörigkeit, Identität, Namen und Rechtspersönlichkeit. Der Zugang zu Grundrechten wie Gesundheit und Bildung ist Carmen damit nicht möglich. Das ist die übliche Situation in den ländlichen Gebieten von Buenaventura, insbesondere bei Menschen aus indigenen und afro-stämmigen Gemeinschaften. Die Folge ist die Staatenlosigkeit dieser Personen, obwohl sie ihr ganzes Leben im ländlichen Raum Kolumbiens verbracht haben. Der JRS unterstützte Carmen mit einer juristischen Begleitung.
Am 20. April 2023 um 9.45 Uhr erliess das Zweite Zivilgericht des Bezirks Buenaventura das Urteil 0173. Das Nationalregister von Kolumbien soll die Mechanismen zur Registrierung und Anerkennung der Staats­bürgerschaft lockern. Die Staats­bürgerschaft ist für die Ausübung der grundlegenden und politischen Rechte von Bedeutung. Im Fall von Carmen kommen besondere Rechte für die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe hinzu. Die Weltanschauung und Realität dieser Gruppe müssen geschützt werden. Das Gericht anerkennt auch die Notwendigkeit, jeden Fall einzeln zu behandeln und die Besonderheiten zu berücksichtigen. Es anerkennt die Pflicht, die Grundrechte aller Personen zu erfüllen, die sich in das nationale Personenstandesregister eintragen lassen möchten. Carmen starb am selben Tag um 9.30 Uhr, nur 15 Minuten vor dieser wichtigen Entscheidung, die einen Präzedenzfall im Land schaffte. Sie starb in Erwartung der Anerkennung ihres Namens, ihrer Identität und ihrer Staatsangehörigkeit.
Der JRS setzt sich auch nach diesem wichtigen Gerichtsentscheid dafür ein, dass dieser Fall vor das Verfassungsgericht kommt. Dieses soll über die Gewährleistung der Rechte entscheiden, die mit der Staatsangehörigkeit, Identität und Staats­bürgerschaft der Menschen verbunden sind. Es soll ein Präzedenzfall geschaffen werden, um Fälle von Staatenlosigkeit ethnischer Gemeinschaften zu reduzieren.
Janeth leidet an einer neuropathologischen Erkrankung, die ihre Mobilität einschränkt. Sie wurde Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Situation in Buenaventura hindert sie daran, Zugang zum Gesundheitssystem zu erhalten. Der JRS unterstützte Janeth mit psychosozialer Begleitung nach ihrer Gewalterfahrung und mit Nahrungsmitteln. Sie erhielt eine juristische Begleitung, um ihr Grundrecht auf Gesundheit umzusetzen. Das Ergebnis ist, dass Janeth heute Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung für ihre Krankheit hat. Ihre Lebensqualität hat sich verbessert.
Diese zwei Geschichten und ihre Ergebnisse spiegeln die Mission von JRS-Mitarbeitenden wider. Tag für Tag begleiten sie Menschen, die gezwungen wurden, ihren Lebensraum zu verlassen und dauernd unterwegs zu sein. Sie dienen ihnen und verteidigen sie alle gleichermassen. Sie setzen sich für die Würde der Menschen und deren Rechte ein. Die juristische Begleitung ist jedoch nicht der einzige Dienst des JRS, um Menschen und Gemeinschaften in Buenaventura zu unterstützen. Prävention, Integration in die Gemeinschaft und Interessenvertretung sind weitere grundlegende Dienste, um die Lebensumstände von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Gemeinschaften, die ihre Stadt zu einem Ort der Hoffnung machen wollen, nachhaltig zu verändern.

Auf ihrem Land bleiben und überleben

Die Einwohnerinnen und Einwohner von Buenaventura zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Gemeinschaft sind, die Widrigkeiten widersteht. Landfrauen haben vor 23 Jahren die Vereinigung der schwarzen und indigenen Bäuerinnen von Buenaventura des mittleren Beckens der unteren Calima (AMUCIB) gegründet. Sie setzen sich dafür ein, dass sie auf ihrem Land bleiben können und ihre angestammten Traditionen bewahrt bleiben. Beides ist durch den langen Bürgerkrieg im Land bedroht. Die Vereinigung besteht aus 200 Frauen. Sie verteidigen ihre Rechte, kämpfen für die Ernährungssicherheit ihrer Gemeinschaften und stärken ihre wirtschaftliche Handlungsfähigkeit durch das Wissen ihrer Vorfahrinnen und Vorfahren. JRS unterstützt ihre Entwicklung und hilft, ihre Ziele zu erreichen.
Eine Strategie dazu ist die Verwendung des Comadreo. Comadreo ist eine uralte Praxis indigener und afro-stämmiger Frauen zur psychosozialen Unter­stützung. Sie schaffen einen Raum für den Dialog, in dem alle Themen angesprochen werden können. Ihre Widerstandskraft wird dadurch gestärkt und die Auswirkungen von Bedrohungen, wie der geschlechtsspezifischen Gewalt, werden sichtbar gemacht. AMUCIB schützt auch traditionelles Wissen und Praktiken und gibt es an Kinder und Jugendliche weiter. Für junge Menschen ist diese Initiative ein Raum für die Weitergabe von Wissen, den Dialog und die Reflexion über ihre Realität. Sie können über Themen wie Bildung, Ermächtigung, Rechte, Geschlechterbeziehungen, Männlichkeitsmodelle, ihre Generation, alternative Ökonomien und Ernährungssouveränität sprechen. Sie entwickeln Strategien, um das Leben der Mitglieder ihrer Gemeinschaft zu schützen. Sie schaffen Möglichkeiten zum Lebensunterhalt und zur Freizeitgestaltung, um die Zwangsrekrutierung durch bewaffnete Gruppen zu verhindern.

Kunst und Klänge des Friedens

In Buenaventura laufen Kinder und Jugendliche Gefahr, von bewaffneten und kriminellen Gruppen, die im Distrikt präsent sind, rekrutiert oder zwangsrekrutiert zu werden. Der Schlüssel zum Durchbrechen des Gewaltkreislaufes sind Alternativen, die zum beruflichen und persönlichen Wachstum beitragen. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Buenaventura sind sich bewusst, wie wichtig es ist, diese Möglichkeiten zu schaffen. Mit Blick auf den Aufbau eines anderen Buenaventura haben sie Initiativen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen ins Leben gerufen. JRS hat sich diesen Bemühungen angeschlossen und unterstützt diese Räume im Rahmen seines nachhaltigen Engagements für Versöhnung, Entwicklung und Gastfreundschaft.
Ein Beispiel für diese schützenden und transformativen Räume ist die Stiftung Vive Arte. Sie wurde 2019 mit dem Traum gegründet, das erste symphonische Orchester im Bezirk Buenaventura zu gründen. Das künstlerische Engagement dieser Stiftung ist zu einem Medium für die Verteidigung des Lebens geworden. «Wenn der Geist mit Kunst beschäftigt ist, gibt es keinen Platz für andere Dinge», sagt John Cortés, Rechtsvertreter der Stiftung. Auch die bildenden Künste haben hier ihren Platz. Jeden Nachmittag erforschen 127 Kinder und Jugendliche ihre Fähigkeiten mit Pinsel, Kohle, Noten und Partituren. Die Stiftung Vive Arte hat auch Alphabetisierungsprojekte durchgeführt, um Gemeinschaften zu stärken. Dazu zählt zum Beispiel das Viertel Juan XXIII, in dem die Gewaltrate hoch und die Alphabetisierungsrate tief ist.
Kameras und Mikrofone sind Mittel der Sichtbarkeit, des Widerstands und der Ermächtigung der jungen Menschen von Buenaventura geworden. In der Gemeinde 6 der Stadt befindet sich die Association of Young Entrepreneurs of Peace (AJEP). Sie wurde 2017 gegründet und bietet Raum für die künstlerische und kommunikative Ausbildung von Kindern und Jugendlichen durch verschiedene Workshops. Die Führung junger Menschen wird durch Kunst gefördert. «Wir haben verstanden, dass wir als junge Menschen das Territorium verändern können. Wir haben angefangen, Gesangsworkshops zu geben, aber gleichzeitig junge Menschen in ihren Rechten zu stärken und ihnen eine Stimme zu geben, um ihr Interesse an dem sozialen Wandel auszudrücken, den Buenaventura braucht», sagt Mauri, Gründer von AJEP. Der Verein produziert Musik und Filme, die darauf abzielen, Gewalt zu verhindern. Sie erzählen aus dem Alltag und öffnen Türen für die Veränderung des Lebens von Kindern und Jugendlichen.
In Buenaventura herrschen trotz aller Widrigkeiten Hoffnung und Freude. Von der Stärkung von Vereinigungen schwarzer und indigener Bäuerinnen bis hin zum Schutz von Kindern und Jugendlichen durch Kunst- und Ausbildungsräume schliesst sich JRS den Bemühungen verschiedener Gemeinschaftsinitiativen an.
Diese Initiativen durchbrechen den Kreislauf der Gewalt und schaffen Welten der Entwicklung und des Wohlergehens. Mit den Aktionen wird der Weg in eine Zukunft geebnet, in der die Würde und die Rechte aller Menschen in diesem Gebiet, das sich nach Frieden sehnt, respektiert werden.

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