Indien: Ausbildung für Devadasi-Frauen

Das Zentrum für non-formale Ausbildung (CNFE) der Jesuiten in Bijapur unterstützt Dalit-Frauen, für ihre Rechte einzutreten und einen Ausweg aus der illegalen Tempelprostitution zu finden.

Devadasi Sozialzentrum

Ort:
Bijapur, Indien

Partner:
Pater Teyol Machado SJ, Direktor des Center for Non Formal Education (CNFE)

Zielgruppe:

Devadasi-Frauen und ihre Kinder.

So hilft Ihre Spende:

Ausbildung für Dalit-Frauen
Schulbildung für Dalit-Kinder
Begleitung von Selbsthilfegruppen

Die Provinz Karnataka kam in der Lockdown-Phase der Coronazeit an ihre finanziellen Grenzen im Bereich der Sozialen Arbeit. Die Stiftung Jesuiten weltweit hat die Überlebenshilfe der Devadasi und ihrer Kinder unterstützt und die Projekte im September 2022 besucht. vor. Wir werden diese Arbeit in den kommenden Jahren weiter unterstützen.

Das Devadasi-System

Das Devadasi-System in Indien hat sich ursprünglich aus hinduistischen Tempelritualen und spiritueller Hingabe entwickelt. Mädchen aus niedrigeren Kasten oder Dalit-Gemeinschaften wurden einer Gottheit angeboten, im Austausch für die Genesung eines kranken Fami­lienmitglieds oder die Geburt eines Sohnes. Sie wurden zum Eigentum der Tempel, dienten als Tänzerinnen und Musikerinnen.
Das Devadasi-System ist in Indien seit 1982 gesetzlich verboten. Es besteht jedoch immer noch im Verborgenen fort und wird stillschweigend toleriert. Gemäss Schätzungen leben noch immer 43’000 Devadasi im Bundesstaat Karnataka. Unter dem Deckmantel der Tempelverehrung werden Dalit-Mädchen und -Frauen durch Tempelpriester und Männer der oberen Kasten für ihre sexuelle Befriedigung missbraucht. Sie werden ihrer grundlegenden Menschen­rechte, ihrer Freiheit und ihrer Würde beraubt.

Diese Ausbeutung führt zu sozialer Ausgrenzung, wirtschaftlichen Entbehrungen, emotionalen Traumata und einem Kreislauf der Armut für diese Frauen. Eine Devadasi-Frau kann nicht heiraten. Die Frauen haben keine andere Wahl, als mit Prostitution ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie sind stark betroffen von HIV/AIDS und geben dies an ihre Kinder weiter. Diese werden von der Gesellschaft stigmatisiert und in der Schule ausgegrenzt.
Devadasi, die nicht oder nicht mehr in der Prostitution arbeiten, verdienen ihren Lebensunterhalt als Tagelöhnerinnen in der Land­wirt­schaft. Sie verdienen zwischen 180 und 250 Rupien pro Tag (CHF 2 bis 3). Sie erhalten nicht jeden Tag eine Arbeit. Dieser Verdienst reicht nicht einmal für die Ernährung der Familie.

Das Zentrum für nonformale Bildung

Die Jesuiten in der Grossstadt Bijapur erkannten die Situation der Devadasi. Sie reagierten mit Mitgefühl, Engagement und konkreten Aktionen. Sie initiierten verschiedene Projekte, um eine soziale Veränderung im Leben von Devadasi und ihren Kindern herbeizuführen. 1998 eröffnetendie Jesuiten das Zentrum für nonformale Bildung (Center for Non Formal Education, CNFE) in Bijapur. Den Jesuiten gelang es, in den Dörfern den Kontakt mit den Frauen aufzunehmen, Vertrauen aufzubauen und sie über ihre illegale Ausbeutung aufzuklären. Heute erhalten die Frauen eine Ausbildung, um sich einen alternativen Lebensunterhalt aufzubauen. Die Frauen erhalten dadurch die Möglichkeit, ein würdevolles, sicheres und respektvolles Leben führen zu können. Sie werden dazu motiviert, ihren Töchtern eine Schulbildung zu ermöglichen, damit diese nicht in der gleichen Situation wie ihre Mütter enden. Die Jesuiten finanzieren den Kindern der Devadasi eine Schulbildung bis zur 12. Klasse. Sie unterstützen gute Schülerinnen und Schüler mit Stipendien für Hochschulen.Die Jesuiten führen Wohnheime, in denen Kinder während des Schuljahres leben. Darin fühlen sie sich sicher und können sich ganz auf ihre Schulbildung konzentrieren. Auch Kinder aus weit entfernten Dörfern können so die Schule besuchen.
Inzwischen haben viele Mütter die Notwendigkeit von Bildung erkannt und leben mit dem damit verbundenen sozialen Wandel.

Die aufkeimende Freiheit

Im Laufe der Jahre haben die Initiativen der Jesuiten zur Bildung und Ermächtigung zu mehr Bewusstsein, wirtschaftlicher Un­ab­hängig­keit und verbesserten sozioökonomischen Bedingungen in den Gemeinden von Devadasi geführt. Devadasi sind Hand werkerinnen und Unternehmerinnen geworden. Sie erwirtschaften ein Einkommen für ihre Fami­lien. Die Veränderung ist nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch psychischer Natur – die Frauen haben ein neues Selbstbewusstsein gewonnen.
Viele Devadasi haben Führungsrollen in ihren Gemeinden übernommen und setzen sich für Frauenrechte und soziale Gerechtig­keit ein. Sie sind zu Mentorinnen für jüngere Generationen geworden und inspirieren sie, über die gesellschaftlich auferlegten Grenzen hinaus zu träumen. Devadasi-Kinder, die einst vor einer ungewissen Zukunft standen, streben jetzt eine höhere Ausbildung an und träumen von Karrieren, in denen sie ihr Potenzial aus schöpfen können.
Dieser Veränderungsprozess hat lange gedauert und war nur möglich dank unermüdlichen Freiwilligen und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die das Vertrauen zu den Devadasi aufbauten.

Bildung für eine Zukunft

Bildung ist ein wirksames Instrument, um den Kreislauf von Armut und Ausbeutung zu durchbrechen. Dank Stipendien erhalten Kinder von Devadasi Zugang zu hochwertiger Bildung, die ihnen zuvor verwehrt war. Sie träumen von einer besseren Zukunft. Damit gelingt es den Jesuiten, die Ketten der generationenübergreifenden Ausbeutung zu durchbrechen. Aishwarya war zehn Jahre alt, als ihre Mutter, eine Devadasi, mit HIV verstarb. Seither wird sie mit ihren drei Schwestern von der Grossmutter grossgezogen. Dank eines Stipendiums des CNFE und der Unterkunft in einem Wohnheim konnte Aishwarya die Schule mit der 12. Klasse abschliessen. Schon als Kind zeigte sie sportliche Begeisterung. In der Schule spielte sie Cricket und Football und schaff te es mit ihrer Schulmannschaft bis zu nationalen Wettkämpfen. Heute trainiert sie andere Kinder in Cricket und steht kurz vor ihrem Bachelorabschluss in Soziologie.
Aishwarya träumt davon, eine sportliche Karriere zu beginnen und damit ihre Familie unterstützen zu können.Auch Priya konnte dank eines Stipendiums des CNFE die Schule besuchen. Ihre Mutter arbeitet in der Mülltrennungsanlage. Priya schloss die 12. Klasse als Dritt beste im ganzen Distrikt ab und studiert heute Ingenieurwissenschaften in Bijapur.Sie möchte daran einen Master in Bauleitung und -aufsicht anhängen.

Selbsthilfegruppen und kleine Unternehmen

Systemischer Wandel erfordert einen gemeinschaftsbasierten Ansatz. Berufliche Fähigkeiten sind für die wirtschaftliche Un­ab­hängig­keit unerlässlich. Deshalb organisieren die Jesuiten Ausbildungsprogramme, die Devadasi verschiedene Fähigkeiten wie Schneiderei und Kunsthandwerk beibringen. Ausserdem ermutigen sie Devadasi dazu, in ihren Dörfern Selbsthilfegruppen aufzubauen. 10 bis 20 Frauen bilden eine Gruppe und sparen Woche für Woche, Monat für Monat kleine Beträge.
Sie setzen sich für gegenseitige Hilfe, den Austausch von Fähigkeiten und die Entwicklung eines starken sozialen Netzwerks ein. Von den Jesuiten erhalten die Frauen Unter­stützung in den Grundkenntnissen Lesen, Schreiben, Rechnen, aber auch in Unternehmensführung, Buchhaltung, Vertrieb. Durch das gemeinschaftliche Sparen bilden die Frauen einen kleinen Fonds, von dem sie untereinander Kredite aufnehmen können und damit kleine Unternehmen gründen. Diese Mikrofinanzinitiativen ermöglichen den Devadasi, mit Alternativen wirtschaftliche Un­ab­hängig­keit zu erreichen. Sie verdienen einen angemessenen und würdigen Lebensunterhalt ausserhalb der korrupten und geschlossenen Grenzen des Devadasi-Systems.

Saraswati ist Devadasi und hat drei Kinder. Sie ist Teil der Selbsthilfegruppe in ihrem Dorf. Beim CNFE hat sie am Schneiderkurs teilgenommen und sich danach eine eigene Nähmaschine gekauft. Heute verdient sie ihren Lebensunterhalt mit Schneiderarbeiten von ihrem Zuhause aus und kann ihre Kinder in die Schule schicken. Sie setzt sich für die Förderung von Bildung ein und sieht, wie Bildung das Leben ihrer Kinder positiv verändert.
Sita ist heute Lehrerin an der Loyola English Medium School in Bijapur. Dank des Stipendiums von CNFE erreichte sie nach ihrem Schulabschluss das Lehrdiplom.

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